Teil 5 unseres Nähtreffens in Bayern: Rückenteil gesucht, Ärmel gefunden- Nähtag 5 & 6
- nadines-sewside
- 30. März
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 7 Tagen
Die letzten beiden Tage unseres Nähtreffens in Bayern waren geprägt von einem wunderbaren Miteinander, kleinen Erfolgen, großem Herz und dem Gefühl, angekommen zu sein.
Es wurde nochmal genäht, geschnippelt, gesucht, gefunden, gelacht – und auch ein bisschen Abschied genommen. Aber vor allem:
Es war einfach schön.
Beim gemeinsamen Frühstück saß man schon ein bisschen länger zusammen, ließ den Blick öfter schweifen, redete nicht mehr nur über Stoffe und Schnitte, sondern auch über das, was bleibt, wenn die Woche vorbei ist.
Der Ton war vertraut, die Gespräche oft persönlicher als noch zu Beginn.

Einmal Vollgas, bitte – Ines’ Oberteil-Offensive
Ines war – wie so oft – auf der Durchreise. Von einer Nähwoche in Ostfriesland direkt zu uns nach Bayern, kurz daheim in Chemnitz, und nach dem Wochenende geht’s auch schon weiter an die Ostsee. Stillstand kennt sie nicht. Und trotzdem war sie bei uns völlig fokussiert. Ihr Ziel:
Sieben Oberteile. Und das hat sie durchgezogen.
Eins nach dem anderen entstand an ihrem Platz – ruhig, zielgerichtet, konzentriert. Ohne viel Aufhebens, ohne großes Tamtam. Einfach machen. Am Ende lagen da tatsächlich sieben Oberteile – fertig, tragbar, schön.
Und Ines? Die war rundum glücklich. Nicht nur über das, was sie geschafft hat – sondern auch darüber, dass sie sich diese Zeit ganz bewusst für sich genommen hat.
So eine Woche ist für sie wie ein kleiner Boxenstopp auf ihrer Reiseroute durchs Leben: einmal auftanken, neu sortieren, durchatmen – und dann wieder los.

Ein Shirt, zwei Schnitte – und endlich Zufriedenheit
Eine Freundin kämpfte sich in dieser Woche tapfer durch einige Widrigkeiten.
Ein nicht zufriedenstellender Grundschnitt für Oberteile, Stoff, der nicht reichte, Frust über nicht fertig werdende Projekte.
Aber genau das ist es ja, was oft zwischen den Zeilen des Nähens liegt:
Geduld, Annehmen, Ausprobieren, Loslassen.
Und dann, endlich – der Durchbruch. Am Freitag hat sie sich an ein Shirt gewagt, genäht nach einem fertigen Schnitt, den ich ihr empfohlen hatte. Kein Anpassen, kein Basteln – einfach mal machen. Den Stoff hatte ihr eine Nähfreundin zur Verfügung gestellt, ein schöner Jersey, der ihr auch wirklich gut stand. Und siehe da: Der Schnitt passte auf Anhieb. Das Shirt saß, sie fühlte sich wohl – und war zum zweiten Mal in dieser Woche richtig zufrieden.
Denn schon zuvor hatten wir gemeinsam ihren Hosengrundschnitt erarbeitet – ein großer Schritt, der ihr Sicherheit und Motivation gegeben hat.
Am Samstag folgte dann Shirt Nummer zwei. Diesmal nahm sie ihren am Donnerstag gekauften „guten“ Stoff – mit etwas Respekt vor dem Anschnitt.
Und ich hab ihr gesagt: „Jetzt mach einfach. Schneid den guten Stoff an.
Das passt – du wirst sehen.“
Ich habe versucht, sie zu bestärken, sich zu trauen.
Einfach mal machen. Könnte gut werden.
Und genau so war es dann auch. Der Schnitt – ebenfalls von mir vorgeschlagen – saß super! Der Stoff stand ihr hervorragend.
Und das Strahlen in ihrem Gesicht, als sie das Shirt anprobierte, war mit das Schönste überhaupt.
Natürlich lief auch diesmal nicht alles ganz reibungslos.
Mitten im Flow – das Shirt fast fertig vorbereitet, der gute Stoff lag bereit, die Vorfreude groß – da stellte sich plötzlich die Frage: „Wo ist eigentlich das Rückenteil?“
Alle liefen wieder wie Ameisen herum und suchten.
Zwischen Schnittbögen, unter Stoffstapeln, sogar in der Mülltüte wurde kurz nachgeschaut – aber nichts.
Also hab ich’s kurzerhand nochmal ausgedruckt. Und sie hat wieder geklebt, wieder vorbereitet – und weiter ging’s.
Und wie’s halt so ist: Beim Aufräumen am Abend lag es plötzlich da. Ganz friedlich. Zwischen ein paar Papieren.
Einmal kurz weggeschoben, nicht weiter beachtet – aber da war es. Das fehlende Rückenteil.
Wir haben herzlich gelacht. Denn klar: Wenn man’s nicht mehr braucht, taucht’s meistens wieder auf. Klassiker.

Eine andere Freundin hatte sich einen Hoodie aus einem maritimen Panel genäht – das war schon am Anfang der Woche ihr Plan.
Und weil’s gut lief, wurde gleich noch ein zweiter Hoodie für ihren Mann hinterhergeschoben.
Zwei Teile, zwei sehr unterschiedliche Stile – aber beides mit Liebe gemacht und sauber verarbeitet.
Dann war da noch Angie mit der Regenbogen-Weste.
Die war schon fast fertig, aber das passende Schrägband hat noch gefehlt. Nachdem wir im Stoffladen fündig geworden sind, konnte sie sie endlich komplettieren – sauber eingefasst, rundum gelungen.
Vorher hatten wir bei ihr schon einen Jeansschnitt angepasst, der an den Beinen dann so saß, wie sie es wollte.
Und als wäre das nicht schon genug, kam am Ende noch ein leichtes Sommerkleidchen dazu.
Nicht ganz fertig geworden – aber der Schnitt stand, das Kleid saß gut, und der Stoff hat perfekt zu ihr gepasst. Mehr muss es manchmal gar nicht sein.

Irene – zwei Kleider, viele Lacher
Irene war wie immer gut drauf. Mit ihrer fröhlichen, herzlichen Art hat sie der Woche ganz viel Leichtigkeit gegeben – immer ein lockerer Spruch, ein ehrliches Lachen, und trotzdem voll konzentriert bei der Sache.
Sie hat fleißig mitgenäht – und dabei gleich zwei Kleider umgesetzt. Bei einem davon haben wir den Schnitt gemeinsam angepasst, damit er trotz ihrer ausgeprägten Skoliose richtig gut sitzt. Wir haben an der Taille im Vorder- und Rückteil etwas korrigiert, und das Ergebnis konnte sich wirklich sehen lassen. Es war schön zu sehen, wie sich das Kleid immer besser an ihren Körper anpasste – bis es am Ende wirklich ihr Kleid war.
Nebenher nähte sie ein paar kleine MugRugs für daheim – mit genauso viel Sorgfalt wie bei den Kleidern.
Sie war durchgehend dabei, hat mitgenäht, mitgeholfen, mitgelacht – und war einfach eine echte Bereicherung für die Runde. Ob beim Nähen, beim Frühstück oder einfach zwischendurch: Mit Irene war es nie langweilig.
Lydia – von Täschchen bis Tunika
Lydia hat sich diese Woche richtig reingekniet. Sie startete mit kleinen Täschchen und Utensilos – nach vorgefertigten Schnittmustern, ganz in Ruhe und eins nach dem anderen. Da wurde zugeschnitten, verstärkt, genäht und gewendet, bis am Ende eine ganze Sammlung an hübschen Kleinigkeiten entstand.
Am Anfang hätte sie am liebsten bei jedem Schritt einmal gefragt, ob das so passt – so richtig zum Mitlaufen, Nachfragen, Absichern. Und das ist ja auch völlig verständlich.
Aber irgendwann hab ich gesagt: „Mach einfach. Probier’s mal selbst. Wenn’s schiefgeht, ist’s auch nicht schlimm – dann lernst du was.“
Und siehe da: Sie hat gemacht. Hat ausprobiert, Entscheidungen getroffen, Fehler selbst erkannt – und dadurch unglaublich viel gelernt.
Und ganz ehrlich?
Ich finde, sie ist in genau diesem Punkt wirklich etwas gewachsen.
Nicht alles dreimal absichern, nicht jedes Detail erklärt bekommen – sondern einfach mal machen, und schauen, was passiert. Und das hat zum Teil wirklich super funktioniert.
Im Laufe der Woche kamen dann noch zwei Easy-Peasy-Shirts dazu – bequem, tragbar und schön verarbeitet. Und weil sie dann so richtig im Flow war, hat sie sich sogar noch eine gekaufte Tunika vorgenommen, die ihr einfach zu weit war.
Da wurde dann beherzt geändert, angepasst, abgenäht – und am Ende hatte das gute Stück plötzlich ganz neuen Sitz.
Ein schöner Moment, wenn man merkt: „Hey, ich kann das!“
Lydia war jedenfalls rundum zufrieden mit dem, was sie geschafft hat – und das völlig zu Recht.

Vom verlorenen Ärmel, der wieder auftauchte
Einer der größten Lacher der Woche: Ein Ärmel, bereits fertig genäht, plötzlich verschwunden. Der ganze Raum suchte – nichts. Und am nächsten Tag – beim Wegräumen eines Stoffstapels – lag er plötzlich da. Mitten im Haufen. Eingewickelt, vergraben, aber wieder da.
Der Hoodie war da aber bereits fertig genäht. Und der Running Gag war geboren.
Was macht man eigentlich mit einem komplett fertigen, aber überflüssigen Ärmel?
Ein Hosenbein wird’s eher nicht. Vielleicht eine Flaschenhülle? Ein sehr avantgardistisches Stiftemäppchen?
Oder man hebt ihn einfach auf – zur Erinnerung. An eine Woche, in der wirklich nichts verloren ging. Nur manchmal kurz verschollen war.
Nähmaschinen raus – die Harley-Fahrer kommen
Am Freitagabend hieß es plötzlich: alles raus.
Der Harley-Davidson-Fanclub hatte den Saal für einen Erste-Hilfe-Kurs gebucht.
Also wurde im Eiltempo geräumt – Nähmaschinen weg, Stoffreste eingesammelt, Nadeln aufgelesen.
Kaum waren wir draußen, kamen die Lederjacken herein.
Ein bisschen war es wie in einem Film: drinnen noch Garnreste und Maßbänder – draußen schon Motorradgebrumm und Verbandsmaterial.
Die einen übten Notfälle, die anderen räumten ihre ganz normalen Nähkatastrophen weg.
Am nächsten Morgen haben wir einfach wieder aufgebaut. So, als wäre nichts gewesen.
Letzter Tag, Frühstück & Fadenende
Der Samstagmorgen begann ruhig. Angie baute ihre Maschinen gar nicht mehr auf, weil sie bald abreisen musste.
Es wurde nochmal gemeinsam gefrühstückt, ein bisschen geplauscht, herumgewuselt – und wer nicht mehr nähte, saß trotzdem mit am Tisch, half hier und da, genoss einfach die Stimmung.
Die Woche war spürbar am letzten Stück Garn angekommen.
Und dann – wie schon so oft in den letzten Tagen – ein leckeres gemeinsames Essen. Letzter Kaffee. Letzte Naht.
Der Abschied rückte näher.
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Leiser Abschied, große Wirkung
Der Moment des Aufbruchs kam schneller, als uns lieb war.
Viele Umarmungen. Ein paar Tränen. Und ganz viel:
„Fahr vorsichtig.“
„Schreib, wenn du zuhause bist.“
„Es war so schön.“
Und das war es wirklich.
Die Zoomies – und ein Stickmoment fürs Herz
Eine Nähfreundin hatte zu Hause für uns alle kleine MugRugs gestickt – mit ihrer neuen Bernina B 990. Und nicht irgendwelche. Nein, bestickt mit einem Begriff, der irgendwie zu uns gehört wie Nadel zur Fadenspannung: Zoomi.
Denn ja – wir nennen uns so.
Ein bisschen, als wären wir eine wilde Unterart der Nähszene.
Dabei fing alles ganz harmlos an: ein paar virtuelle Nähabende, regelmäßige Treffen im Zoom-Raum – und plötzlich war’s klar:
Wir sind die Zoomies.
Klingt ein bisschen nach Comic-Figur, ist aber eigentlich ein Zeichen für das, was uns verbindet.
Und diese Woche hat diesem Namen nochmal so richtig Leben eingehaucht.
Offline, in echt, mit Garnfäden überall auf unseren Klamotten und Kaffee in der Tasse.

DANKE. DANKE. DANKE.
Ich wurde reich beschenkt:
Mit einem Bernina-Zubehörkoffer, den ich zu einem "Spottpreis" abkaufen durfte,
mit Jeanshosen, mit Stoffen,
mit einem Gutschein für das Stoffgeschäft Fingerhut – und mit einer liebevoll geschriebenen Karte.
Ich war so gerührt! Und dankbar!
Mein Lebensgefährte bekam eine riesige Tüte Süßigkeiten – einfach, weil ich erzählt hatte, wie gern er nascht.
Und wie sehr er uns diese Woche mitgetragen hat –
mit leckerem Essen, Unterstützung, Geduld.
Aber ich möchte auch sagen:
Das alles wäre überhaupt nicht nötig gewesen.
Denn ich habe diese Woche genauso genossen wie alle anderen.
Ich habe gerne geholfen, mitgedacht, unterstützt – und hatte selbst jede Menge Freude dabei.
Natürlich freue ich mich riesig über all die Gesten.
Aber ich hätte es auch ohne all das gemacht. Von Herzen.
Und am meisten wurde ich beschenkt mit schönen Gesprächen, mit Lächeln, mit herzlichen Momenten.
Werbung aus Überzeugung
Und bevor ich’s vergesse:
Gasthof Betz in Oberglaim (Ergolding) – der Ort, an dem wir eine Woche lang genäht, gegessen, gelacht, geräumt, wieder aufgebaut und einfach gelebt haben.
Geführt von meinem Lebensgefährten und seinen Eltern, mit viel Herz, Geduld und offenen Türen.
Für uns war es der perfekte Ort – weil wir Platz hatten, weil wir uns wohlgefühlt haben, weil es unkompliziert war. Weil es Kaffee gab, wenn man ihn brauchte. Und Ruhe, wenn man einfach mal kurz durchatmen wollte.
Und weil man dort einfach sein durfte, wie man ist.
Unbeauftragte Werbung – aus vollem Herzen.
Was bleibt
Für mich war diese Woche eine echte Auszeit vom Alltag. Jeden Morgen gemeinsam frühstücken, lachen, reden, nähen.
Diese Woche war mehr als eine kreative Pause – sie war eine Lernzeit.
Ich habe viel erfahren, viel gesehen, viel mitgenommen.
Es sind nicht nur die Projekte, sondern die Geschichten nebenbei, die Gespräche zwischendurch.
Jeder hat etwas zu erzählen. Jeder hat etwas beigetragen.
Ich bin dankbar, dass wir diese Woche gemacht haben.
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Ein kurzer Gedanke zum Schluss
Am Ende einer intensiven Woche zählen nicht die Meter Stoff oder die Anzahl fertiger Projekte.
Was bleibt, sind die Geschichten. Die gemeinsamen Momente. Die stillen Unterstützungen.
Die Umarmungen zwischendurch. Das Lächeln, wenn ein Schnitt endlich sitzt. Das Vertrauen, wenn jemand um Hilfe bittet.
Ich gehe aus dieser Woche nicht nur mit neuen Ideen und einem halbfertigen Täschchen.
Sondern mit dem Gefühl:
Ich bin Teil von etwas, das verbindet.
Ich bin auch sehr dankbar dafür, dass alle diesen – teilweise wirklich langen – Weg auf sich genommen haben, um hier bei uns zu sein.
Von Ostfriesland bis nach Niederbayern ist es kein Katzensprung.
Und doch haben sie sich die Zeit genommen, um diese Woche mit uns gemeinsam zu verbringen.
Das hat mich tief berührt.
Ich bin einfach dankbar für diese Zeit.
Für das Vertrauen. Für diese Erfahrung.
Und ich freue mich aufs nächste Mal. Von Herzen.
P. S.
Ich habe übrigens nicht von allen Nähprojekten oder Momenten Fotos gemacht.
Manchmal hat es sich einfach aus der Situation heraus nicht ergeben – und manche möchten das auch ganz bewusst nicht.
Und das ist völlig in Ordnung so.
Einige der schönsten Erinnerungen trägt man sowieso im Herzen.
Nadine, ich habe mit Interesse diese tolle Nähwoche verfolgt. Jede Deiner Nähfreundinnen wird von dieser Zeit mit Sicherheit noch lange zehren und sich auf eine Wiederholung freuen.
Danke fürs Mitnehmen.
Rosi aus Upengen