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Teil 2: Zwischen Maßband, Matjes und Miteinander

Aktualisiert: 30. März

Nahaufnahme zweier Hände, die Stoff sorgfältig mit Nadel und Faden von Hand nähen.

Nähtreffen in Bayern - Nähtagebuch Teil 2


Wir haben den Tag ganz gemütlich mit einem gemeinsamen Frühstück begonnen – und natürlich auch ordentlich gequatscht, wie das unter Nähfreundinnen eben so ist.


Eine liebe Freundin aus unserer Runde näht sich gerade ein Kleid, das sie früher schon gerne getragen hat – und jetzt gönnt sie sich endlich wieder ein neues.

Was mich daran besonders berührt: Sie ist seit vielen Jahren das stille Rückgrat ihrer Familie, trägt unheimlich viel Verantwortung und ist immer für alle anderen da. Umso schöner finde ich es, dass sie sich gerade jetzt eine ganze Woche nur für sich selbst nimmt – um ihrem Hobby nachzugehen, um Zeit mit lieben Menschen zu verbringen, um einfach mal sie selbst zu sein, ganz ohne Verpflichtungen.

Es freut mich von Herzen für sie, dass sie diese Auszeit genießt – sie ist so ein lieber, wertvoller Mensch, den ich sehr schätze. Und es ist schön zu sehen, wie gut ihr diese Woche tut.


Die Weste, die eine andere liebe Nähfreundin näht, nimmt ebenfalls richtig Form an: Ich habe ihr beim Einfassen mit dem Bündchen geholfen und die Covernähte mit dem Einfasser gemacht. Der Reißverschluss ist auch schon dran – morgen werden noch die inneren Nähte mit Schrägband versäubert.

Auch sie hatte im Vorfeld Zweifel, ob sie überhaupt kommen soll – ihre letzte Zeit war alles andere als leicht. Umso schöner ist es zu sehen, wie gut ihr die Woche tut. Das Lachen, das Miteinander, das kreative Arbeiten – es lässt uns alle aufatmen. Und ihr ganz besonders.


Auch der Hosengrundschnitt einer weiteren Teilnehmerin ist mittlerweile in den finalen Zügen. Schritt für Schritt entsteht hier eine perfekt angepasste Hose – mit viel Geduld und Präzision.

Gerade für sie ist diese Woche besonders wichtig. Sie trägt in ihrem Alltag viel Verantwortung – begleitet von Ängsten und Sorgen, die schwer auf den Schultern liegen. Umso mehr wünschen wir uns für sie, dass sie hier ein wenig loslassen kann. Dass sie spürt:

"Du kannst das. Du darfst Leichtigkeit zulassen. Du darfst atmen."

Wir versuchen, ihr Selbstvertrauen zu stärken, ihr Mut zu machen. Denn Nähen kann auch heilsam sein – wenn man aufhört, zu viel zu grübeln, und sich einfach mal traut. Mit jedem Nadelstich, mit jedem Lächeln. Auch für sie soll diese Woche ein kleines Stück Freiheit bedeuten.



Zwischen den Nähten – einfach mal machen


Heute gab es wieder so einen typischen Fall von: „Ich trau mich nicht ganz allein“ – und das gleich in mehreren Situationen, alle bei derselben Nähfreundin.

Zuerst ging’s um kleine Täschchen, genäht nach einem vorgedruckten Schnittmuster – ganz schnell zusammenzunähen, allerdings ohne Innenfutter. Ich hab vorsichtig angemerkt: „Magst du nicht ein Futter mit reinmachen? Das sieht einfach gleich viel liebevoller und hochwertiger aus – gerade, wenn du sie verschenken willst.“

Sie war offen dafür, hat sich drangemacht, und ich hab ihr kurz gezeigt, wie man’s macht. Den Rest hat sie selbst gemeistert – und die Täschchen sind wirklich richtig schön geworden.


Dann kam das nächste Projekt: ein Easy-Peasy. Ein ganz einfacher, maßangepasster T-Shirt-Schnitt – locker, leger, perfekt für den Einstieg ins maßgeschneiderte Nähen.

Auch hier kam wieder dieses typische Zögern: „Ich hab meinen Schnitt vergessen – kannst du mich ausmessen?“

Ich hab ihr freundlich, aber bestimmt gesagt: „Du kannst das selbst. Nimm das Maßband – bei einem Easy-Peasy funktioniert das wunderbar.“ Und siehe da – es hat auch wunderbar geklappt!


Das Ganze hat mich zum Nachdenken gebracht. Denn dieselbe Nähfreundin hatte zuvor erzählt, dass sie gern einen Kurs für ein kleines Täschchen machen würde – und kurz darauf, dass sie dieses Jahr gerne ein Dirndl nähen möchte.

Beides wunderschöne Projekte. Nur liegen dazwischen eben Welten – rein handwerklich betrachtet. Ein Dirndl verlangt viel Präzision, Erfahrung, Geduld. Und wer sich bei einem einfachen Täschchen oder Shirt noch nicht ganz alleine traut, der braucht dafür einfach noch ein bisschen Übung. Und das ist völlig okay!


Ich denke, es gibt einfach so Nähtypen, die brauchen immer wieder kleine Anstupser – so ein liebevolles „Mach jetzt einfach mal.“

Nicht jede Anleitung muss bis ins Detail erklärt werden. Manchmal darf – oder muss – man selbst ausprobieren. Denn genau daraus entsteht das wahre Können: nicht durch Perfektion, sondern durch Tun. Durch Fehler, durch eigenes Lernen, durchs Dranbleiben.


„Jedes Handwerk beginnt mit dem ersten Versuch. Der Rest ist Übung, Geduld und ein bisschen Vertrauen in sich selbst.“

– Nadine Käller


Und das Schöne an unserem Nähtreffen ist: Genau dafür ist hier Raum. Wir ermutigen uns gegenseitig, geben uns Vertrauen, und manchmal reicht schon ein einziger Satz: „Du kannst das.“



Ich selbst bin heute leider nicht allzu weit gekommen – ein paar Steppnähte, das war’s dann auch schon.

Aber das ist vollkommen in Ordnung.

Denn auch das gemeinsame Besprechen, Mitdenken und Planen der Projekte der anderen ist für mich genauso wertvoll. Ich lerne dabei ebenso viel – über Techniken, Herangehensweisen, Materialien – und über Menschen. Und manchmal ist das Miteinander eben der schönste Teil am Nähen.



Eine Nähfreundin hat sich gleich mehrere Oberteile genäht. Der Schnitt sitzt – und wenn der einmal passt, geht ein T-Shirt ruckzuck. Ihre Sommergarderobe wächst!

Ich finde es richtig schön zu sehen, wie sehr sie dabei in sich ruht. Sie ist ganz bei sich, arbeitet fokussiert und ruhig, lässt sich nicht ablenken – zumindest wirkt es so. Es ist, als würde sie für diesen Moment nichts anderes brauchen als Stoff, Schnitt und eine Nähmaschine. Diese Klarheit, dieses bei-sich-Sein – das bewundere ich sehr.


Eine weitere hatte ein großes Panel aus French Terry dabei, mit zwei markanten Motiven – eigentlich gedacht für Vorder- und Rückteil sowie Ärmel eines einzelnen Hoodies oder Sweatshirts.

Um den Stoff optimal zu nutzen, habe ich ihr empfohlen, daraus zwei separate Oberteile zu nähen. Die Lösung: Ärmel und Seitenstreifen werden aus einem passenden Kombistoff ergänzt.

So entstehen aus einem einzigen Panel gleich zwei tragbare Unikate – ganz ohne Motivverlust, aber mit kreativer Stoffaufteilung. Das hat richtig gut funktioniert!


Und dann gab es da noch diese herrliche Szene, bei der wirklich kein Auge trocken blieb:

Eine Nähfreundin telefonierte mit ihrem Mann, weil es daheim ein kleines Problem gab. Sie musste gleichzeitig etwas im Handy nachschauen, konnte aber nicht auf Lautsprecher stellen – also rief kurzerhand eine andere Freundin für sie ihren Mann an, damit sie in Ruhe beides machen konnte.

Das Gespräch war schon für sich ziemlich witzig – ihr Mann hat nämlich einen wunderbar trockenen Humor. Als er dann merkte, dass wir alle zuhören (weil er unser Gekicher hörte), reagierte er ganz trocken mit dem Satz:

„Ich lege einen Fluch auf deine Nähmaschinen.“

An seine Frau gerichtet – und so trocken vorgetragen, dass wir buchstäblich Tränen gelacht haben. Bauchschmerzen vor Lachen inklusive. Ein absoluter Highlight-Moment des Tages!


Zwischendurch wurde es auch wieder persönlicher: Zwischen einzelnen Nähfreundinnen gab es tiefgründige Gespräche, die oft genauso wertvoll sind wie ein gelungenes Nähprojekt.

Und ein ganz besonderer Moment war unser kleines Zoom-Treffen mit denjenigen, die dieses Mal nicht dabei sein konnten. Für ein paar Minuten waren sie trotzdem mitten unter uns – wir haben gemeinsam gelacht, erzählt und einfach kurz die Nähe genossen, obwohl uns Kilometer trennen. Auch das macht unser Nähtreffen in Bayern so besonders.



Ein kurzer Gedanke zum Schluss


Was mich heute besonders berührt hat, war nicht nur das gemeinsame Nähen, sondern dieses besondere Miteinander, das unsere Runde ausmacht.

Wir haben zum Beispiel Matjes direkt von der Küste genossen – sozusagen fangfrisch. Und unsere ostfriesische Freundin hat zum allerersten Mal bayerische Semmelknödel probiert – mit Rehgulasch. Ein kulinarischer Brückenschlag, wie er schöner nicht sein könnte.


Dabei entstehen Gespräche, die einen zum Lächeln bringen. Über Unterschiede, die charmant sind. Über Gemeinsamkeiten, die verbinden. Und über all das, was uns als Menschen ausmacht.

Manchmal möchte man jemanden einfach drücken – und manchmal tut man das auch.


Denn wenn man ehrlich ist: Jede von uns hat gerade ihr Packerl zu tragen.

Die eine kämpft mit Krankheit in der Familie, die andere mit schweren Sorgen, Verantwortung oder Verlust. Und trotzdem kommen wir hier zusammen – nicht nur, um zu nähen, sondern um zu atmen, zu lachen und ein bisschen Leichtigkeit zu spüren.

Ich wünsche mir von Herzen, dass jede von uns ein bisschen davon mit nach Hause nimmt. Und dass diese Woche noch lange nachwirkt – in unseren Gedanken, unseren Herzen und vielleicht auch in ein paar besonders schönen Nähten.


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